Unter diesem Titel fand eine Woche vor der Bundestagswahl 2017 im Club Voltaire in Frankfurt am Main eine Matinee von Business Crimpen Control und KunstGesellschaft mit Stephan Hebel statt. Er ist Autor des gleichnamigen Buches, das in diesem Jahr im Westend-Verlag erschien. Als Journalist und Publizist arbeitet Hebel unter anderem für die „Frankfurter Rundschau“, die Wochenzeitung „der Freitag“ und die Zeitschrift “Publik Forum”.
Hebel vertritt die These, dass der Aufstieg der AfD durch die Politik der von Angela Merkel geführten Regierungen erst ermöglicht wurde. Die sich vertiefende soziale Spaltung in der Bundesrepublik, die – entgegen der von Medien verbreiteten Mär einer „Sozialdemokratisierung“ der CDU durch Merkel – im Kern neoliberale Agenda der Kanzlerin und ihr rein machttaktischer Umgang mit der „Flüchtlingsfrage“ hätten den rechten Rand des politischen Spektrums gestärkt.
Die einschläfernde Rhetorik Angela Merkels und ihre vorgetäuschte Empathie seien deshalb so wirksam gewesen, weil sich eine Mehrheit der Deutschen aus Verunsicherung und Angst vor Krisen an die Hoffnung klammert, dass mit ihr alles so bleiben könne, wie es ist. Dazu kam, dass die Kanzlerin im Bundestagswahlkampf weder von der SPD noch von den Medien „gestellt“ wurde. Als typisch dafür wurde in der Matinee ein Interview mit ihr in der „Frankfurter Rundschau“ zitiert, in dem Merkel nach der wachsenden Ungleichheit von Einkommen und Vermögen gefragt wurde. Sie beantwortete die Frage nicht, lenkte ab auf den Mindestlohn, die Grundsicherung und die Schaffung von Arbeitsplätzen, ohne dass die Journalisten nachhakten. Den Wahlkampf dominierten Themen und Diskussionen, die eher den Rechten nützten.
Hebel stellte klar, dass es für die Linke notwendig war und ist, die Flüchtlingspolitik stets mit der Verteilungsfrage zu verbinden, um so auf die berechtigten Sorgen der Einheimischen mit geringen oder mittleren Einkommen einzugehen, dass sie wieder einmal die Zeche zu zahlen haben. Es sei genug Geld da, um Fluchtursachen zu bekämpfen und die Kosten für die Integration der ins Land Gekommenen aufzubringen. Es müsse nur dort abgeholt werden, wo es sich befindet – als nicht produktiv verwendetes Vermögen in den Händen Weniger. Nur so könne man den Rechten das Wasser abgraben, nicht aber, indem man „Verständnis“ für die Ängste signalisiert, dass die Flüchtlinge zu viel abbekämen.
Die Europapolitik der Regierung Merkel habe das Ungleichgewicht zwischen den europäischen Ländern vergrößert und so den als Reaktion darauf stärker werdenden nationalistischen Tendenzen Vorschub geleistet. Der “Merkelantismus” sei – analog zum historischen Merkantilismus – nur auf Vorteile für das eigene Land bedacht. Diese Politik verschärfe die Krise der EU und sei auf die Dauer nicht haltbar.
Die AfD, das wurde in der Matinee noch einmal verdeutlicht, ist keine Protestpartei, sondern eine Partei des abgefälschten oder umfunktionierten sozialen Protests. Sie propagiert einen „verschobenen Klassenkampf“ (Claus Leggewie), in dem der soziale Gegner der Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr oben, sondern außen beziehungsweise bei den „Fremden“ im Land verortet wird. Das Programm und die Propaganda der AfD stellten eine Mixtur aus neoliberalen und neurechten Positionen, einem rückwärtsgewandten Menschenbild, Alltagsrassismus und geschichtsrevisionistischen Ansätzen dar.
Im Vorgriff auf das zu erwartende und dann auch eingetretene Ergebnis der Bundestagswahl wurde diskutiert, wie es weitergehen kann. Einig war man sich darin, dass eine Fortsetzung der Großen Koalition die schlechteste Lösung ist. Stephan Hebel meinte, dass die SPD noch eine Chance habe, wenn sie sich an der Politik orientiert, für die Bernie Sanders in den USA und Jeremy Corbyn in Großbritannien stehen. Ein Politikwechsel beziehungsweise eine Richtungsänderung der Politik – bisher mit dem Stichwort „Rot-Rot-Grün“ bezeichnet – könne nur möglich sein, wenn es außerparlamentarischen Initiativen, Bewegungen und Organisationen gelingt, mehr Menschen für eine aktive politische Teilnahme zu gewinnen. Und wenn diese sich dann auf gemeinsame Ziele einigen, welche die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung zum Ausdruck bringen.
Der Link zur Video-Dokumentation der Matinee
Redaktion BIG Business Crime
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