Entgeltordnung und Billigflieger

Petra Schmidt

Entgeltordnung – dies ist eine bürokratische Bezeichnung, hinter der sich aber eine einschneidende Änderung in der Ausrichtung des Frankfurter Flughafens verbirgt.

Aber der Reihe nach: Als im November 1997 der damalige Lufthansachef Jürgen Weber für den Frankfurter Flughafen eine neue Landebahn forderte, ging er von einer quasi „natürlichen“ Zunahme des Luftverkehrs aus. Dies war seinerzeit die zentrale Begründung für die geplante Flughafenerweiterung. In den letzten Jahren wurden zwar mehr Passagiere transportiert, aber die Flugbewegungen stagnierten. Was tut man nun als schwarz-grüne hessische Landesregierung, um dem Frankfurter Flughafen doch noch zu mehr Flugverkehr zu verhelfen? Man verabschiedet eine Gebührenordnung, die wachstumsträchtigen Fluggesellschaften für die nächsten drei Jahre wesentliche Rabatte bei den Start- und Landegebühren gewährt. Davon profitieren insbesondere neue Fluglinien und so starten von Frankfurt/M nun erstmals Billigflieger (RyanAir seit März 2017). Diese Wende um 180 Grad in der Flughafenpolitik deutete sich schon 2015 an, als die Diskussion über die Belegung des dritten Terminals begann.

Die Subventionierung und Bevorzugung des Luftverkehrs gegenüber anderen Verkehrsträgern ist keine hessische Spezialität. Auf Bundesebene findet sich dies beispielsweise im Positionspapier des Verkehrsministeriums wieder, das in der Juni-Sitzung des Verkehrsausschusses des Bundestags behandelt wurde und auf große Zustimmung des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft stieß. Das Ministerium setzt auf die Kapazitätserweiterung von Flughäfen, spricht sich für weitere Liberalisierungen im internationalen Flugverkehr und gegen Nachtflugverbote aus, möchte die Luftverkehrsgesellschaften subventionieren, indem die Gebühren der Deutschen Flugsicherung weiter gesenkt werden. Außerdem soll die bundeseigene Fluggesellschaft eine Kapitalaufstockung erhalten. Auch wenn das angekündigte Luftverkehrskonzept der Bundesregierung wahrscheinlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann, ist zu befürchten, dass man dieses Wunschprogramm der Luftfahrtindustrie demnächst durchsetzen wird.

Die EU-Kommission stellte im Juni 2017 eine Reihe von Maßnahmen zur „Unterstützung offener und vernetzter Luftverkehrsmärkte in der EU“ vor. Erklärte Ziele sind die Wahrung der Führungsrolle in der internationalen Luftfahrt und die weitere Überwindung von Wachstumsgrenzen im europäischen Luftraum. Die Kommission sieht „die größte Herausforderung im Hinblick auf das Wachstum der europäischen Luftfahrt in der Überwindung von Kapazitätsengpässen“. Die regionalen und globalen negativen Auswirkungen dieser Strategie (zunehmende Naturvernichtung, mehr Lärm, mehr Schadstoffemissionen, höhere Verkehrsaufkommen in hoch verdichteten Ballungsräumen) werden hier mit keiner Silbe erwähnt. Die Bürger/innen werden ausschließlich als Konsument/innen von Flugreisen wahrgenommen und profitieren daher angeblich von den Maßnahmen.

In einer diesbezüglichen Pressemitteilung wird der für die Energieunion zuständige Vizepräsident der Kommission zitiert: „Ein starker und tragfähiger europäischer Luftfahrtsektor ist zur Unterstützung der EU-Wirtschaft und die Erreichung der Klimaziele (!) unerlässlich.“ Diese Aussage ist, milde formuliert, grob irreführend. Der völlig unzulängliche Emissionshandel gilt nur für Flüge innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes. Rund 75% der Luftverkehrs-Emissionen sind davon ausgenommen. Außerdem wurde der Luftverkehr bisher aus allen internationalen Klimaabkommen herausgehalten. Erst für 2020 kündigt die zuständige internationale Organisation ICAO auf freiwilliger Basis einige völlig unzureichende Maßnahmen an, die dann ab 2027 verbindlich umzusetzen seien. Der Flugverkehr muss unterm Strich seine Emissionen nicht reduzieren, sondern soll lediglich ab dem Jahr 2020 in Gestalt von Klimaschutzprojekten Kompensation für das Wachstum (nicht für die gesamten Emissionen!) leisten.

Die EU-Kommission will die Luftfahrtunternehmen konkurrenzfähiger machen und ihre Rentabilität steigern. In den letzten Jahren passierte dies vor allem auf den Rücken der Arbeitnehmer/innen: Auslagerung von Frachtabteilungen in Tochtergesellschaften und Öffnung der Bodenverkehrsdienste für Billiganbieter mit unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Streiks von Flugbegleitern und Lufthansa-Piloten sind die Folge der schleichenden Verschlechterung von Arbeitsbedingungen und Flugsicherheit. Die Etablierung von RyanAir in Frankfurt/M – eine Billig-Airline mit, was Entlohnung und sonstigem Umgang mit Beschäftigten angeht, notorisch schlechtem Ruf – verschärfte die Situation.

Verärgert kündigte die Lufthansa an, ihren eigenen Low-Cost-Ableger Eurowings in Frankfurt/M zu stationieren, um auch von den Entgelt-Rabatten profitieren zu können. Mittlerweile hat Lufthansa diese Bekanntmachung wieder zurückgezogen und ist stattdessen beim Bieterwettstreit für die insolvente Air Berlin ganz vorne mit dabei. Lufthansa könnte mit dem Erwerb von Teilen der Insolvenz-Masse die Eurowings an anderen Standorten stärken.

Der Konsolidierungsprozess des von Überkapazitäten geprägten Luftverkehrs ist in vollem Gange, Arbeitskämpfe der Beschäftigten inklusive.

Die Europäische Kommission hat bereits reagiert und kündigt ein Instrumentarium an, um den „sozialen Dialog“ zu verbessern und das Konfliktrisiko zu mindern. Das Streikrecht soll „selbstverständlich“ nicht davon berührt werden. Ziel sei es, die Auswirkungen abzumildern und zu minimieren – das scharfe Instrument Streik soll also weniger wirkungsvoll werden, die Durchsetzungskraft der Arbeitnehmer/innen wird damit sicherlich nicht größer.

Die Voraussetzungen für die geschilderte Situation wurden vor Jahren geschaffen. Deregulierung und Liberalisierung sind die zentralen Stichworte. Der Vormarsch des Neoliberalismus in den letzten Jahrzehnten hat vor dem Luftverkehrssektor nicht halt gemacht. Begonnen wurde damit in den USA schon in den 1970er Jahren. Befanden sich europäische Luftfahrtgesellschaften und Flughäfen bis dahin hauptsächlich in öffentlichem Besitz, so wurde ab Mitte der 80er Jahre mit zunehmender europäischer Integration der Luftverkehr liberalisiert und privatisiert. Ein Prozess, der bis heute nicht abgeschlossen ist. Auch die vormalige FAG (Betreiberin des Frankfurter Flughafens) hatte als Fraport AG 2001 ihren Börsengang, um weiteres Kapital für die angestrebte Flughafenerweiterung zu erhalten (auch wenn immer noch ca. 51% der Aktien dem Land Hessen und den im kommunalen Besitz befindlichen Stadtwerken von Frankfurt/M gehören).

Neben den Flughäfen/Logistikzentren in den Staaten der Arabischen Halbinsel wird der im Bau befindliche neue Flughafen in Istanbul die Konkurrenz der Drehkreuze weiter befeuern. Als Folge der Verschärfung des Wettbewerbs sanken die Flugpreise und die Erträge der Fluggesellschaften (auch hier werden in Europa die arabischen Fluglinien als schärfste Rivalen angesehen).

Die „Antwort“ darauf besteht in Kostensenkungen auf dem Rücken der Beschäftigten und dem Versuch, durch weiteres Wachstum die Nase vorn zu haben. So ist die Anzahl der täglichen Flüge in Europa in den Jahren von 1992 bis 2016 von 10 000 auf etwa 23 000 gestiegen.

Airport City

Im Rahmen dieses Prozesses machten Flughäfen generell einen Funktionswandel durch: Von einer Verkehrsinfrastruktur wurden sie zu einem Immobilienstandort. Treffend illustriert dies die saloppe Losung vom Flughafen als einem “Einkaufszentrum mit angehängter Start/Landebahn“ (so der Vorstands-Vorsitzende der Fraport AG, Stefan Schulte). Der Konkurrenzkampf und Kostendruck der Luftverkehrsgesellschaften führt zu regelmäßig aufflammenden Debatten zwischen Lufthansa und Fraport wegen der Gebühren am Frankfurter Flughafen. Da sich über Start/Lande-Gebühren immer weniger Geld verdienen lässt, zeichnete sich seit Mitte der 90er Jahre ein Wandel des Flughafens hin zum Immobilienstandort, Parkraumbewirtschafter und Einkaufszentrum ab. Auch deshalb pocht der Flughafenbetreiber auf die Drehkreuzfunktion und den hohen Umsteigeranteil, denn in der Flughafenlogik gehören internationale Umsteiger zu den besten Konsumenten. Ein großer Anteil des Umsatzes der Fraport AG wird mittlerweile über das Einkaufen auf dem Flughafen, die Vermietung von Parkplätzen oder die Entwicklung und Vermarktung von Immobilien generiert. Ähnliche Verhältnisse gelten für alle großen europäischen Hub-Airports.

Die Airlines reagierten mit verschiedenen Strategien, die nicht alle erfolgreich waren:
Allianzen der großen Fluglinien (Star Allianz), Entstehung von No-Frill Airlines (Billigflieger) wie RyanAir, EasyJet, WizzAir, Fusionen (Britisch Airways und Iberia), Aufkäufe (z.B. Austrian Airlines durch Lufthansa), Beteiligungen (Etihad an der seit Jahren defizitären und mittlerweile insolventen Air Berlin).

Die weltpolitischen Veränderungen der 90er Jahre, die mit einer Reduktion der US-Armee in Deutschland einhergingen, stellten sich letztlich als Türöffner für die Billigfluglinien heraus. Etliche militärische Flugplätze wurden übergangslos in zivil genutzte Objekte umgewidmet. Das Resultat sind zahlreiche kleinere, von der öffentlichen Hand hoch subventionierte Flughäfen, auf denen sich RyanAir + Co. wegen der niedrigen Gebühren gerne niederließen. Prekäre Arbeitsbedingungen (Scheinselbstständigkeit, Ausnutzen unterschiedlicher europäischen Sozial- und Steuersysteme bei den Anstellungsbedingungen der Mitarbeiter) trugen zum weiteren Wachstum des Billigsegments auch auf größeren Flughäfen in Deutschland bei.

Mit den Billigfliegern kommt auch wieder das Terminal 3 des Frankfurter Flughafens ins Spiel. Der Planfeststellungsbeschluss erging bereits 2007 als letzte Ausbaustufe des Gesamtausbaus Süd (der neben der Landebahn nochmals ca. 100 Wald verschlang) in dem Verfahren zur Landebahn Nord-West. Wegen mangelnder Nachfrage wurde der Baubeginn immer weiter nach hinten geschoben – zuletzt hieß es, 2023 würde das erste Modul bereit stehen. Zur Finanzierung des ersten Bauabschnitts stellt die Europäische Investitionsbank einen Kredit über 400 Millionen Euro zur Verfügung. Nun sollen mit vereinfachter Ausstattung und Bauweise schon mal Abfertigungsmöglichkeiten für RyanAir und andere geschaffen werden.

Diese Maßnahmen haben zu großen Verstimmungen zwischen Fraport AG und Lufthansa (die mit ca. 8% an der Fraport AG beteiligt ist) geführt. Selbst ein Gespräch unter Vermittlung von Ministerpräsident Volker Bouffier konnte das nicht auflösen. Nun kündigt die Lufthansa gar an, fünf der 14 A-380-Flugzeuge aus Frankfurt/M abzuziehen und in München zu stationieren.

Das Nachtflugverbot in Frankfurt/M gilt nur von 23.00 bis 5.00 Uhr (die gesetzliche Nacht dauert von 22.00 bis 6.00 Uhr) und wird von zahlreichen Ausnahmegenehmigungen durchlöchert. Das Geschäftsmodell der Low-Cost-Anbieter beruht darauf, möglichst viele „Umläufe“ im Europäischen Flugverkehr hinzubekommen. Damit steigt der Druck auf die Nachtrandstunden (also von 22.00 bis 23.00 und von 5.00 bis 6.00 Uhr) und auf weitere Ausnahmen während der verkürzten, 6-stündigen Nachtruhe. Am Beispiel Hamburg kann man das beobachten: Dort verstoßen vor allem Billigflieger gegen das Nachtflugverbot. Offensichtlich kalkulieren sie diese Verspätungen schon ein, um so ihre Flugauslastung zu erreichen.

Staatliche Förderung und Absicherung

Die Wirksamkeit rechtlicher Festsetzungen ist nicht alleine eine juristische Frage. Gesetze und ihre Durchsetzung spiegeln den Stand der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen wider. In den aktuellen Protesten seit 1997 kann sich die Luftverkehrslobby auf die Hessische Landesregierung verlassen, genauso wie auf die Justiz, vor allem auf den VGH Kassel. Das soll aber nicht mutlos machen, denn milliardenschwere DAX- (Lufthansa) und MDAX-Unternehmen (Fraport AG) nebst der Bauindustrie haben nun mal eine ganz andere Durchsetzungskraft als Bürgerinitiativen. Die Notwendigkeit, weiterhin gegen die regionalen und – angesichts des Klimawandels – globalen Belastungen des Luftverkehrs zu protestieren, ist wichtiger denn je – und zwar jenseits der Anrufung der einen oder anderen Partei/Koalition oder der Beteiligung an formalen Verfahren.

Im Planfeststellungsbeschluss von 1971 zur Startbahn 18 West steht ganz eindeutig der Satz, dass es keine weitere Start/Landebahn in Frankfurt/M geben wird. Doch mit den Plänen zur erneuten Flughafenerweiterung wurde das mit juristischen Spitzfindigkeiten abgebügelt. Dieser Satz sei nicht einklagbar, hieß es. Fazit: Nur weil etwas in einem angeblich bindenden Planfeststellungsbeschluss drinsteht, wird das noch lange nicht umgesetzt – es sei denn, es dient den Interessen von Flughafenbetreibern und Airlines.

In der landesplanerischen Beurteilung im Rahmen des Raumordnungsverfahrens kam das Regierungspräsidium im Jahr 2002 ursprünglich zu dem Ergebnis, dass die Flughafenerweiterung nicht raumverträglich sei. In der öffentlich zugänglichen Fassung lautete es dann ganz anders: Der Ausbau könne raumverträglich gemacht werden. Mittel dazu waren etliche Gesetzesänderungen. Das heißt, an der Sachlage hatte sich objektiv nichts geändert, lediglich die Gesetzeslage wurde den Interessen von Fraport und Lufthansa angepasst.

Die Ausweisung der Bannwälder erfolgte in den 80er/90er Jahren im öffentlichen Interesse, unter anderem um den Flächenfraß durch den Frankfurter Flughafen in den letzten Jahrzehnten zu stoppen. Doch die hessische Landesregierung verdrehte die Bedeutung des Begriffes in sein Gegenteil. Der Ausbau wurde als im „öffentlichen Interesse“ postuliert, um den Weg für die Flughafenerweiterung frei zu roden.

Ein weiteres Problem sind die grundlegenden Prognosen, auf deren Aussagen die richterlichen Entscheidungen beruhen. Es ist völlig egal, ob eine Prognose, die ein immenses Wachstum auf Rhein-Main behauptet hat, auf nicht plausiblen Annahmen beruht oder sich in der Realität als nicht zutreffend erweist. Solange formal alles seine Richtigkeit in den Planverfahren hat, gibt es im Nachhinein keine Möglichkeit, eine Entscheidung zugunsten des Flughafenausbaus aufgrund falscher Prognosen wieder aufzuheben.

Im Hessischen Landesentwicklungsplan 2000 war ursprünglich festgeschrieben, dass der Frankfurter Flughafen nicht über seine bestehende Fläche hinaus wachsen dürfe („Der Zaun ist die Grenze“). Das war letztlich ein Ergebnis der Kämpfe gegen die Startbahn West. Mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD (außer zwei Abgeordneten) wurde dieser Passus 2007 gestrichen, stattdessen hieß es nun, dass eine Erweiterung über das bestehende Start- und Landebahnsystem hinaus zu realisieren sei.

Baugenehmigung für das Terminal 3? Kein Problem, diese wurde 2015 von dem damaligen zuständigen Dezernenten in Frankfurt/M, dem Grünen Olaf Cunitz anstandslos durchgewunken. Die neue Gebührenordnung in Frankfurt/M führt zu mehr Flugverkehr? Alles rechtmäßig, er habe keine Handhabe dagegen, so der grüne Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Beide versteckten sich hinter Verwaltungshandeln („keine Handlungsspielräume“, „alles Rechtens“) und versuchten noch nicht einmal ansatzweise den Anschein zu erwecken, die Flughafenprojekte ver- oder wenigstens behindern zu wollen.

Die dritte Änderung des Landesentwicklungsplans 2000 steht aktuell an. Der Textentwurf enthält keinerlei Aussage über eine Begrenzung des Flughafens auf dem heutigen Stand. Der Flughafen soll in seiner Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden, um den weiterhin zu erwartenden Entwicklungen gerecht werden – eine Aussage, ob das auch eine erneute Flughafenerweiterung umfassen könnte, wird wohlweislich nicht getroffen.

Und weiter heißt es: „Zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm soll … die Ausdehnung der erheblich von Fluglärm betroffenen Fläche begrenzt werden. Sie soll gegenüber dem aktuellen Niveau nicht mehr wesentlich anwachsen.“ Also ist auch hier keinerlei Verbesserung in Sicht. Stattdessen soll der Flughafen durch verbesserte Anbindung an den Schienenfern- und Regionalverkehr noch attraktiver gemacht werden. Die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn, die dadurch ermöglicht werden soll, ist nur sinnvoll, wenn die frei werdenden Slots (Zeitfenster) nicht für Interkontinentalflüge genutzt werden. Für die geforderte Anbindung des dritten Terminals an die Riedbahn (Strecke Frankfurt-Mannheim) würden erneut einige Hektar Wald fallen.

Ansonsten setzt der Entwurf auf technokratische Scheinlösungen (Optimierung der Flugzeugtechnik, der Flugverfahren und flugbetrieblichen Verfahren, Entgeltpolitik des Flughafenbetreibers), die unter den anvisierten Wachstumsbedingungen nicht zu einer Entlastung beitragen.

Globaler Warenverkehr

Laut Eigenwerbung der Luftfahrtindustrie liegt das Volumen der per Luftfracht transportierten Waren bei ca. 1%, der Wert hingegen bei ca. 30% Prozent im Vergleich zu allen anderen Gütern.
Der Welthandel ist in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich stärker als die Weltproduktion gewachsen (aktuell scheint sich dieser Trend aus unterschiedlichen Gründen abzuschwächen). Der Welthandel umfasst dabei auch die Vor- und Zwischenprodukte, die in die Herstellung der exportierten/importierten Fertigwaren einfließen. Voraussetzung dafür ist die Transportinfrastruktur (Schiff, Flugzeug, Automobil, Eisenbahn) – und damit ein entsprechend großer ökologischer Fußabdruck der Waren, bedingt durch ausufernde Transportleistungen.

Man sieht den Produkten nicht an, unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen sie hergestellt wurden. Der ökologische und soziale Preis der Waren bemisst sich nicht nur daran, wieviel CO2-Äquivalente beispielsweise ein Flugzeug während des Transportes emittiert (CO2- Emissionen sind in den höheren Luftschichten ca. zwei- bis viermal so klimarelevant wie am Boden).

Die miesen Arbeitsbedingungen beispielsweise in der Textilindustrie treten hier zu Lande meist nur dann ins Bewusstsein, wenn mal wieder eine Fabrikanlage in Bangladesh abbrennt. Kleidung wird häufig nur eine Saison getragen und ist zum Wegwerfartikel mutiert. Diese „schnelle Mode“ etlicher Anbieter wird auch über den Luftverkehr transportiert.

Die ökologischen Verwüstungen in den Ländern, in denen zum Beispiel „seltene Erden“ abgebaut werden (unter anderem China), stecken in jedem Smartphone, wie generell in elektronischen Geräten. Und gerade in der Elektronikindustrie werden die Produktzyklen immer kürzer, wird der Markt immer schneller via Luftverkehrstransport mit den neuesten „Errungenschaften“ beliefert.

Eine Kritik am Flugbetrieb angesichts dieser skizzierten Verhältnisse kann sich nicht nur auf die regionalen Auswirkungen beschränken. Auch die manchmal vage geäußerte „Hoffnung“, andere Drehkreuze würden anstatt Frankfurt/M den Flugverkehr an sich heranziehen, verbietet sich angesichts der Debatte über Klimawandel und Klimagerechtigkeit und des rasant beschleunigten Ressourcenverbrauchs von selbst, zumal sich auch international an etlichen Flughäfen Protest und Widerstand gegen Neubauten oder Erweiterungen manifestiert.

Petra Schmidt ist Mitglied der “Bürgerinitiative Mörfelden-Walldorf – Gegen Flughafenerweiterung, für ein
Nachtflugverbot von 22.00-6.00 Uhr”.