Ein Artikel von Philipp Mimkes aus der Zeitschrift BIG BUSINESS CRIME 01/2015
Die Firmen Monsanto und Bayer machten mit polychlorierten Biphenylen (PCB) über Jahrzehnte hinweg Milliardengewinne. Die giftigen „Alleskönner“ kamen in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben und Bodenbelägen zum Einsatz. Die Entsorgung dauert Jahrzehnte und kostet Milliarden. Für die Schäden kommt allein die Allgemeinheit auf, obwohl die EU ursprünglich das Verursacherprinzip anwenden wollte und eine Haftung der Hersteller forderte.
Allein in Deutschland sind Tausende von Schulen, Universitäten und Behörden mit polychlorierten Biphenylen (PCB) kontaminiert. Die Sanierungskosten gehen in die Milliarden. So verschlingt allein der derzeitige Abriss und Neubau der ingenieurswissenschaftlichen Gebäude der Universität Bochum einen dreistelligen Millionenbetrag.
Die Hersteller, vor allem die US-Firma Monsanto und der Leverkusener Bayer-Konzern, haben die Gefahren der Substanzen jahrzehntelang vertuscht. Nun wälzen sie die Sanierungskosten auf die Allgemeinheit ab. Alle Versuche, die Unternehmen für ihr toxisches Erbe haftbar zu machen, scheiterten. Dabei hieß es in der PCB-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft vom April 1976 noch unmissverständlich: „Gemäß dem Verursacherprinzip sind die Kosten für die Beseitigung von PCB (…) zu tragen von den Besitzern (…) und/oder den früheren Besitzern oder dem Hersteller von PCB oder PCB enthaltenden Stoffen.“ Bei den PCB-Richtlinien und -Verordnungen späterer Jahre setzten sich jedoch die Lobbyisten der Chemie-Industrie durch. Das Verursacherprinzip wurde, wie auch in vielen anderen Fällen, ganz einfach ignoriert.
Dabei sind die Gesundheitsrisiken polychlorierter Biphenyle beträchtlich: PCB können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Substanzklasse kürzlich in die Liste krebserzeugender Stoffe der Kategorie 1 aufgenommen.
PCB können sich besonders im Fettgewebe und in der Muttermilch anreichern. Bei Säuglingen kann die Aufnahme um den Faktor 50 über der von Erwachsenen liegen. Umweltmediziner bezeichnen jedes 20. Kind als hoch belastet. Toxikologen fanden Hinweise darauf, dass besonders die Belastung im Mutterleib zu Aufmerksamkeitsdefizitsyndromen (ADS) und zu unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten führen kann.
Zwar ging die PCB-Konzentration in der Muttermilch in den vergangenen 20 Jahren um etwa 75 Prozent zurück. Dennoch wird es wohl noch mehr als 100 Jahre dauern, bis die Aufnahme von Dioxin und PCB durch die Muttermilch unter der von der WHO maximal tolerierten Tagesdosis (TDI-Wert) liegt.
Verbote ab 1972
Polychlorierte Biphenyle wurden seit 1929 großtechnisch hergestellt. Wegen ihrer speziellen elektrischen Eigenschaften und ihrer Nichtbrennbarkeit wurden sie zunächst in Transformatoren und Kondensatoren eingesetzt. Darüber hinaus verwendete man PCB als Weichmacher in Fugendichtungsmassen, aber auch in Farben, Lacken, Klebstoffen und als Flammschutzmittel in Deckenplatten.
Weltweit wurden bis 1989 rund 1,3 Millionen Tonnen PCB hergestellt. Davon stammte etwa die Hälfte aus den Fabriken des US-Konzerns Monsanto. Die deutsche Bayer AG, die die Produktion bereits 1930 aufgenommen hatte, liegt mit 160 000 Tonnen, rund 12 Prozent der Gesamtproduktion, auf dem zweiten Platz. Es folgen russische und französische Hersteller. Die wichtigsten Handelsnamen waren Aroclor (Monsanto), Clophen und Elanol (Bayer) sowie Pyralene (von der französischen Firma Proodelec). Der Chlorgehalt variiert je nach Hersteller und Produkt zwischen 20 und 60 Prozent.
PCB sind chemisch mit Dioxinen verwandt und zählen zu den als „dreckiges Dutzend“ bekannten Gefahrstoffen. Wegen ihrer extremen Langlebigkeit und der hohen Mobilität finden sie sich inzwischen nahezu überall in der Natur, in der Tiefsee ebenso wie in der Arktis. Traurige Berühmtheit erlangten kanadische Inuit, die unter einer den Opfern großer Chemieunglücke vergleichbaren PCB-Konzentration leiden. Dies in einer Weltgegend, in der die Substanzen nie großtechnisch eingesetzt wurden.
Das weltweit erste Verbot „offener“ Anwendungen, etwa in Dichtungsmassen, Farben und Kunststoffen, war bereits 1972 von der schwedischen Regierung verhängt worden. Westdeutschland folgte 1978. Der Einsatz in vorgeblich „geschlossenen“ Systemen wie Hydraulikölen und Transformatoren blieb jedoch auf Druck der Industrie hin gestattet. Schlimmer noch: Als die USA, bis dahin der größte Anbieter, im Jahre 1977 die Herstellung und Verwendung von PCB vollständig verbot, sprang die Bayer AG in die Bresche und steigerte ihre jährliche Produktion von 6.000 auf 7.500 Tonnen. Erst 1983 stellte Bayer als letzte westliche Firma die Herstellung ein.
Ein vollständiges Verbot auch der „geschlossenen“ Anwendungen folgte in Deutschland erst 1989. Seitdem geht die PCB-Belastung zwar zurück. Doch nach Angaben des Umweltbundesamts nimmt die Bevölkerung noch immer bedenkliche Mengen über die Nahrung auf. Auch die Luftbelastung ist oftmals beträchtlich.
Erst durch die Stockholmer Konvention von 2001 wurde die Verwendung von PCB endgültig verboten. Ziel des Abkommens ist eine vollständige Eliminierung aus technischen Anwendungen sowie deren umweltgerechte Entsorgung bis zum Jahre 2028.
Risiken verheimlicht
Schon in den späten 1930er Jahren wusste die Firma Monsanto von den Gesundheitsrisiken. Arbeiter in einer New Yorker Fabrik, die mit PCB in Berührung gekommen waren, litten an Chlorakne und Leberschäden, zum Teil mit tödlichem Ausgang. Der Umweltmediziner Cecil Drinker von der Harvard Universität wurde mit der Untersuchung beauftragt. Auf einer Konferenz, an der auch Vertreter des Konzerns teilnahmen, wies Drinker 1937 erstmals auf die Gefahren hin. Der Vermarktung von PCB tat dies jedoch keinen Abbruch.
30 Jahre später warnte der schwedische Chemiker Sören Jensen erstmals vor der Anreicherung von PCB in der Umwelt. Durch Zufall hatte Jensen in schwedischen Seeadlern hohe PCB-Konzentrationen entdeckt und daraufhin in weiteren Tierarten starke Belastungen nachgewiesen. Als Medien das Thema aufgriffen, reagierte Monsanto mit einer Gegenkampagne. Ein eigens gegründetes Komitee sollte, so wörtlich, „den Vertrieb von und die Einkünfte durch Aroclor sicherstellen, ohne das Image der Firma zu beschädigen“. Firmeninterne Papiere hielten zudem fest, dass „das Problem die gesamten USA, Kanada und Teile Europas, besonders Großbritannien und Schweden betrifft (…) und andere Regionen Europas, Asiens und Lateinamerikas werden sicher bald folgen. Die Kontamination ist bereits in den entlegensten Regionen der Erde nachgewiesen“.
1968 beseitigte der sogenannte Yusho-Vorfall in Japan die letzten Zweifel an den gravierenden gesundheitsschädigenden Wirkungen: 1.800 Menschen nahmen infolge eines Lecks in einer Wärmetauscheranlage PCB-verseuchtes Reisöl auf. Sie wurden von der „Yusho“-Krankheit befallen, deren Symptome schwerer Hautausschlag, Verfärbung der Lippen und Nägel sowie geschwollene Gelenke waren. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich 1979 in Taiwan („Yucheng“). Eine Langzeitstudie zeigte, dass die Kinder von während der Schwangerschaft kontaminierten Müttern eine erhöhte Sterblichkeitsrate und schwere Geistes- und Verhaltensstörungen aufwiesen. Außerdem war die Leberkrebsrate bei den Opfern fünfzehnmal so hoch wie bei einer Kontrollgruppe. Trotzdem ging die Vermarktung der Substanzklasse weiter.
Der Chemiker Roland Weber, Experte für langlebige organische Schadstoffe („Persistent Organic Pollutants“ oder POPs), weist darauf hin, dass große Teile der PCB-Weltproduktion langfristig in der Umwelt und damit auch in der Nahrungskette landen. So befinden sich mehr als die Hälfte der in den 1960er und 1970er Jahren in Fugenmassen und Farbanstrichen verwendeten PCB noch bis heute in den betroffenen Gebäuden. Die Ausgasungen führen zu einer permanenten Belastung der Luft. Und auch aus vorgeblich „geschlossenen“ Anwendungen gerieten 30 bis 50 Prozent der PCB auf Deponien oder gelangten direkt in die Umwelt.
Wegen der Stabilität von PCB und aufgrund ihrer hohen Fettlöslichkeit kommt es zu einer Anreicherung in der Nahrungskette. So können PCB aus Deponien oder über das Abwasser in Flüsse und von dort ins Meer gelangen, wo sie von Algen aufgenommen werden. Die zweite Stufe in der Nahrungskette besteht aus Kleinkrebsen, Larven und Würmern. Von diesem tierischen Plankton ernähren sich wiederum viele Fischarten. Glieder am Ende von Nahrungsketten, zum Beispiel Raubtiere, Fische oder auch der Mensch, sind daher um mehrere Potenzen höher belastet als die Umwelt.
Fleisch und Fisch. Einige fettreiche Fischarten, zum Beispiel Aale, sind so stark belastet, dass in Deutschland vom Verzehr generell abgeraten werden muss.
Toxisches Erbe
Rund drei Millionen Tonnen PCB-kontaminiertes Öl und PCB-belastete Geräte befanden sich allein in den Ländern, die 2001 die Stockholmer Konvention unterzeichnet hatten. Die Kosten für Verpackung, Transport und Zerstörung betragen pro Tonne zwischen 2.000 und 5.000 US-Dollar, was Ausgaben von bis zu 15 Milliarden Dollar impliziert. Wahrscheinlich noch teurer sind die notwendigen baulichen Maßnahmen.
So wurden in Deutschland rund 20.000 Tonnen PCB in Fugendichtungen verbaut, vor allem zwischen 1969 und 1975 in öffentlichen Einrichtungen. Allein 10.000 Schulen, also fast jede vierte, gelten als kontaminiert. Genaue Zahlen liegen nicht vor, da keine Inventarisierungs- und Beseitigungspflicht besteht.
Die Sanierungsdringlichkeit wird in Deutschland anhand der PCB-Konzentration in der Raumluft beurteilt. Raumluftmessungen sind nicht vorgeschrieben, wurden jedoch in zahlreichen öffentlichen Gebäuden durchgeführt. Die deutsche PCB-Richtlinie von 1994 erklärt den Aufenthalt in Gebäuden für zulässig wenn die Luftkonzentration unter einem Wert von drei millionstel Gramm pro Kubikmeter (3 µg PCB/m3) liegt.
Dieser Grenzwert ist jedoch wissenschaftlich überholt: Er berechnete sich aus dem 1983 vom damaligen Bundesgesundheitsamt festgelegten TDI-Wert von einem millionstel Gramm PCB pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Aufgrund neuer toxikologischer Erkenntnisse hat die WHO jedoch 2003 einen fünfzigmal niedrigeren Richtwert festgelegt, ohne dass die deutsche PCB-Richtlinie entsprechend angepaßt wurde.
Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes zeigt, dass selbst die bestehenden, schwachen Grenzwerte häufig überschritten werden. In einigen Fällen waren Lehrer und Schüler einer Giftkonzentration ausgesetzt, bei der Fabrikarbeiter Schutzanzüge und Atemschutz tragen müssten. Manche Gebäude sind so hoch mit PCB belastet, dass sie nicht saniert werden können. Aufsehen erregte zum Beispiel der Abriss der Nürnberger Georg-Ledebour-Schule, der allein fünf Millionen Euro kostete (hinzu kamen knapp 30 Millionen für den Neubau).
Fehlendes Kataster
Eine gesetzliche Pflicht, Gebäude auf PCB zu untersuchen, besteht bislang nicht. PCB-Messungen finden häufig erst dann statt, wenn sich Erkrankungen und Todesfälle häufen. Meist kommt es zu großen Zeitverzögerungen: Geschädigte warnen, Selbsthilfegruppen oder Elterninitiativen fordern Sanierungen und eine Absenkung der Grenzwerte, während Gutachter die Belastung herunter rechnen, Entwarnung geben und zum Putzen und Lüften auffordern. Allenfalls nach jahrelangen Diskussionen erfolgt dann eine Sanierung. Ein erster Schritt zur Vermeidung weiterer gesundheitlicher Schäden wäre eine Aufstellung aller belasteten Gebäude sowie Vorschriften zum Umgang mit PCB-haltiger Bausubstanz.
Schweden, das ein derartiges Kataster aufgebaut hat, könnte hierfür als Vorbild dienen. Klar ist jedoch: Allein in Deutschland gehen die Entsorgungskosten in die Milliarden. Und so oder so gibt es keine risikolose Beseitigung. Die zumeist verwendete Technologie zur Zerstörung von PCB ist die Verbrennung in Sondermüllverbrennungsanlagen, wie sie auch die Firma Bayer betreibt. Die hochgiftigen Filterstäube führen jedoch zu einem neuen Entsorgungsproblem. Und bei unsachgemäßen Verbrennungen können sich aus PCB sogar noch gefährlichere Dioxine bilden.
Des weiteren existieren in Deutschland mehrere Untertagedeponien, in denen tausende Tonnen kontaminierter Transformatoren und Kondensatoren lagern. Wegen ihrer hohen Persistenz muss über Jahrhunderte sichergestellt werden, dass die Chemikalien nicht austreten. PCB-haltiger Bauschutt landet meist auf Deponien, wird aber auch im Straßenbau eingesetzt und landet dadurch zu großen Teilen in der Umwelt. Schätzungen zufolge ist rund die Hälfte der hergestellten PCB letztlich in Wasser, Boden oder Luft ausgetreten.
Auch die Kosten der Kontamination von Lebensmitteln werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Allein der durch den Eintrag von 25 Litern PCB in Futterfett verursachte Lebensmittelskandal in Belgien verursachte eine Milliarde Euro an direkten und drei Milliarden Euro an indirekten Kosten. Auch die irische Schweinefleischkrise wurde durch den Einsatz von PCB-kontaminierten Ölen bei der Futtermitteltrocknung verursacht und kostete etwa 100 Millionen Euro.
PCB reichern sich selbst in scheinbar unberührter Natur an und gelangen mittelfristig in den Körper von Mensch und Tier. Gemäß einer Studie, in der die Leber von 140 Schafen aus sechs Bundesländern untersucht wurden, überschritten davon 131 den zulässigen EU-Höchstgehalt für Dioxine und dioxinähnliche PCB. Vermutet wird daher eine deutschlandweit hohe Grundbelastung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt deshalb, den Verzehr von Schafsleber generell zu vermeiden. Die Eintragspfade von PCB in Rindfleisch und der Zusammenhang mit Kontaminationen in der Umwelt wurden Anfang 2013 eigens auf einem Fachgespräch in Bonn beim Umweltministerium thematisiert.
Erneut Industriehaftung gefordert
Eine Fachtagung des „Deutschen Naturschutzrings“ beschäftigte sich jüngst mit den Lehren aus dem PCB-Desaster. Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, kritisierte insbesondere die Rolle der Hersteller: „Die Industrie hat Informationen, dass PCB beim Menschen und der Umwelt zu Schäden führen können, weitgehend unter Verschluss gehalten und ignoriert.
Das ‚PCB-Vermächtnis‘, dem wir heute gegenüberstehen, hätte uns vielleicht erspart bleiben können.“ Flasbarth greift auch die einst von der Industrie propagierte Differenzierung in offene und geschlossene Systeme an: „Es hilft nichts, sich bei der Regulierung auf offene Verwendungen zu beschränken. Die Industrie rechnete bei geschlossenen Verwendungen, zum Beispiel in Transformatoren, oft mit einer Nullexposition. Doch spätestens die Entsorgung derartiger technischer Geräte oder auch des kontaminierten Bauschutts stellt uns vor fast unlösbare Probleme.“
Uwe Lahl, Chemieprofessor an der Technischen Universität Darmstadt, stellte in der Konferenz fest: „Selbst ein Land wie Deutschland – mit strenger Gesetzgebung, ausgefeilter Abfallwirtschaft, guter Analytik und funktionierendem Vollzug – kann problematische Chemikalien wie etwa PCB auch nach 30 Jahren nicht angemessen handhaben. Wie sollen das dann Entwicklungsländer schaffen?“. Zur Vermeidung künftiger Umweltdesaster fordert Lahl eine Umkehrung der Beweislast: „Chemikalien, die im Verdacht stehen, gesundheitsschädlich zu wirken, müssen verboten werden. Es sei denn, die Industrie kann diesen Verdacht nachweislich entkräften.“
Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Hartmut Vogtmann, forderte eine kompromisslose Anwendung des Verursacherprinzips. Die Industrie, die maßgeblich für die hohe Belastung mit PCB verantwortlich sei und die von dem jahrzehntelangen Verkauf profitiert habe, müsse für die Folgekosten aufkommen. Steigende Gesundheitskosten und Kosten für die Beseitigung von Altlasten dürften nicht den Steuerzahlern zur Last fallen.
Diese Position deckt sich mit der langjährigen Kampagne der „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (CBG). Jan Pehrke vom CBG-Vorstand: „Produkte von Bayer sind für einen Großteil der PCB-Belastung in Deutschland verantwortlich. Das Unternehmen hat mit den Stoffen Milliarden umgesetzt und muß nun für seine toxische Hinterlassenschaft haftbar gemacht werden!“. Vertreter der CBG hatten erstmals 1983 in der Hauptversammlung der Bayer AG eine Sanierung von PCB-Altlasten auf Kosten des Konzerns gefordert. Bei Boden-Messungen in Deutschland wird meist das von Bayer produzierte Clophen A50/A60 gefunden.
Verseuchter Hafen
Ein Beispiel für die bislang gescheiterten Versuche, die Hersteller für ihre giftige Hinterlassenschaft haftbar zu machen, ist die Reinigung des Hafenbeckens von Oslo. Große Teile der norwegischen Küste sind mit PCB verseucht, vor allem durch Rückstände von Schiffsfarben. In Teilen Norwegens musste daher der Verzehr von Meeresfrüchten verboten werden. Chemische Nachweisverfahren zeigen, dass rund die Hälfte der in norwegischen Gewässern gefundenen Gefahrstoffe aus der Produktion von Bayer stammt.
Eine Sanierung des 100 km langen Oslofjords würde Milliarden kosten. In einem ersten Schritt wurde von 2006 bis 2011 der Hafen der Hauptstadt gereinigt. Über Jahre hinweg versuchte die Kommune von Bayer und zwei weiteren Produzenten eine Beteiligung an den Kosten einzutreiben. Von den Ausgaben in Höhe von rund 26 Millionen Euro sollten die Produzenten sieben Millionen tragen, Bayer entsprechend des Marktanteils rund 3,5 Millionen.
Tom Erik Økland vom Umweltverband „Norges Naturvernforbund“ reiste eigens zur Bayer-Hauptversammlung nach Köln und richtete sich dort direkt an den Vorstand: „Die Kontaminierung weiter Teile der norwegischen Küste und die Vergiftung hunderter Werftarbeiter hätten verhindert werden können, wenn Bayer rechtzeitig vor den Risiken von PCB gewarnt hätte.“ Der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning bestritt jegliche Verantwortung und lehnte eine Kostenbeteiligung ab.
Mehr als die Zahlung an sich fürchtete der Konzern einen Präzedenzfall. Dieser sollte unbedingt verhindert werden, weswegen das Unternehmen eine große Schar von Anwälten und Lobbyisten nach Norwegen entsandte. Selbst vor persönlichen Einschüchterungen schreckte Bayer nicht zurück. Schließlich knickte der von der Hafenbehörde engagierte Anwalt ein. Die Stadt verzichtete auf ein Klageverfahren. Obwohl Bayer eindeutig als PCB-Lieferant für die belasteten Schiffsfarben feststand, scheiterte somit der Versuch, die Firma als Verursacher haftbar zu machen. Einmal mehr wurden die Gewinne über sechs Jahrzehnte hinweg privatisiert. Die Folgeschäden trägt die Allgemeinheit.
Zum Autor:
Philipp Mimkes ist Vorstandsmitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren, die sich seit 1978 mit den Kehrseiten der Geschäftspolitik des Chemie-Unternehmens Bayer befasst.
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