Zur Geschäftsstrategie börsennotierter Unternehmen.

Joachim Maiworm

Vor zwei Jahren, Anfang Juni 2015, wurde mit großem politischen Getöse das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten“ (Mietpreisbremse) eingeführt. Von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) damals als „Meilenstein im Mietrecht“ gefeiert, gilt die Regelung bereits heute als von Grund auf gescheitert und schlicht wirkungslos. Gerade in angesagten Städten wie Berlin, München, Frankfurt, Leipzig oder Köln steigen die Wiedervermietungsmieten  seit Jahren weiter massiv an. Zu viele Schlupflöcher machen die Regelung, die Neuvermietungen auf höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete deckeln soll, zur Farce: Sie gilt nicht bei Neubauten, umfassenden Modernisierungen und bereits bestehenden Mieten oberhalb der Höchstmiete. Ein zentrales Manko: Hegen die Mieter einen Verdacht, überhöhte Mieten zu zahlen, müssen sie selbst initiativ werden und gegebenenfalls gegen den Vermieter klagen, um gegen dessen kriminelles Handeln vorzugehen. Es fehlen ihnen aber in der Regel die notwendigen Informationen, um die Rechtmäßigkeit ihrer Miete überprüfen zu können. Fehlende staatliche Kontroll- und Sanktionsmechanismen machen das Gesetz letztlich zu einem reinen Papiertiger, wie alle wichtigen Mieterschutzorganisationen mittlerweile festgestellt haben. Aber nicht nur wegen dieser strukturellen juristischen Defizite bleiben die kleinen und großen Vermieter vom Gesetz unbeeindruckt.

Kriminelle Vermieter

Ende Mai erschien eine von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebene Studie, die belegt, dass sich ein Großteil der Vermieter nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält (Titel: „Finanzielle Lasten für Mieter durch Überschreitung der Mietpreisbremse“). Die Wirksamkeit des Gesetzes wird dort exemplarisch für Berlin, Hamburg und Stuttgart untersucht und –  ausgehend von dieser Stichprobe –  auf Werte für ganz Deutschland hochgerechnet. Das erstaunliche Ergebnis: Bei fast jedem zweiten Wohnungsangebot liegt ein Gesetzesverstoß vor. Bundesweit zahlen die Mieter etwa 310 Millionen Euro pro Jahr zu viel (davon allein in Berlin 170 Millionen: Hier zahlt ein durchschnittlicher betroffener Mieter pro Monat 150 Euro mehr als vorgesehen). Hochgerechnet auf die fünfjährige Gültigkeit des Gesetzes sind das 1,5 Milliarden Euro. Der Deutsche Mieterbund fordert deshalb in einer Pressemitteilung von Ende Mai, dass die Vermieter beim Abschluss eines Mietvertrages dazu verpflichtet werden, nachprüfbare Angaben zur Vormiete zu machen. Immer dann, wenn die Vermieterseite davon ausgeht, die Obergrenze der Mietpreisbremse überschreiten zu dürfen, soll dies beim Abschluss des Mietvertrages nachgewiesen werden.

Diese Idee fällt der Dachorganisation von 320 örtlichen Mietervereinen in Deutschland leider reichlich spät ein. Mehr Elan zeigte dagegen schon frühzeitig die Initiative „BerlinAppell zur Wohnungspolitik“, die bereits im letzten Jahr vorschlug, die Mietenbremse in das Wirtschaftsstrafgesetz einzugliedern, damit Mietpreisüberhöhungen als Ordnungswidrigkeiten „von Amts wegen“ geahndet werden können und die Mieter nicht mehr persönlich gegen die Vermieter klagen müssen. Glauben Mieter, zuviel Miete zu überweisen, soll ein Online-Formblatt genügen, um den Sachverhalt einzutragen – und schon wird das Wohnungsamt von sich aus aktiv und geht dem Verdacht nach. Zusätzlich  spricht sich der BerlinAppell für eine Abfrage im Zuge der Wohnsitzmeldung aus, damit Sanktionen eingeleitet werden können. In Berlin müssen die Vermieter schon heute bei einer Wohnsitzmeldung eine Einzugsbestätigung bei der Meldebehörde abgeben. Würden zukünftig auch die aktuelle Miethöhe und die Höhe der Vorgängermiete erfasst, hätten die Behörden Zugang zu den relevanten Daten, ohne dass die Betroffenen eine Anzeige erstatten müssten.

Aber auch die originelle, weil pragmatische Idee des BerlinAppells kann nicht verhindern, dass sich vor allem kapitalkräftige Wohnungsunternehmen bei ihrer Mietpreispolitik nicht von einer wie auch immer reformierten Mietpreisbremse beeindrucken lassen. Sie greifen dabei aber nicht in erster Linie auf wirtschaftskriminelle Maßnahmen als Hebel zur Renditeoptimierung zurück, sondern bringen eine ganze Palette legaler Tricks zur Anwendung.

Alle Potentiale ausschöpfen

Vor allem börsennotierte Unternehmen verfolgen systematisch eine Strategie, die Erträge zu steigern, indem alle Möglichkeiten für Mieterhöhungen und Kostensenkungen ausgeschöpft werden. Legen wir im Folgenden den Fokus auf zwei Wohnungskonzerne, die aktuell in Berlin von sich reden machen: Die Deutsche Wohnen AG (DW) und die österreichisch-deutsche BUWOG AG mit Sitz in Wien. Beide Gesellschaften ziehen zurzeit insbesondere wegen angekündigter und durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen eine Menge Zorn verärgerter Mieter auf sich. Die DW, deren Gesamtbestand von etwa 158.000 Wohnungen sich mit über 110.000 Einheiten zu einem Großteil in der Hauptstadt konzentriert, nimmt als regional größter Vermieter eine marktdominierende Stellung ein. Vor allem sie sorgt regelmäßig durch Negativschlagzeilen für Aufsehen und wird mit einer ganzen Reihe von Vorwürfen konfrontiert: mangelnde Instandhaltungen, überhöhte Betriebskosten, Abrisse von Wohnungen mit anschließendem Neubau im gehobenen Preissegment, juristische Angriffe auf den Mietspiegel, Etablierung einer „Angstkultur“ bei den eigenen Beschäftigten – und überteuerte Modernisierungen mit häufig erzwungenem Mieterwechsel.

Gerade gegen die energetischen Sanierungen formierte sich zuletzt Widerstand in verschiedenen Teilen der Stadt. Unter anderem in der Otto-Suhr-Siedlung im Herzen Kreuzbergs, einem der ärmsten Kieze in Berlin, wo die DW etwa 1.700 Mietparteien mit Mietsteigerung von rund 40 Prozent konfrontiert, so dass etlichen die Verdrängung aus der vertrauten Umgebung droht. Oder gegen die BUWOG im Bezirk Tempelhof, wo sich Hunderte Mieter eines städtebaulich bedeutenden Straßenzuges aus den 1920er Jahren gegen überflüssige und das Erscheinungsbild der Gegend verschandelnde Fassadendämmungen und dem Einbau von Kunststoff-Fenstern wehren.

Energetische Sanierungen an Gebäuden bilden das spezielle Geschäftsmodell aller kapitalmarktorientierten Anbieter auf dem Wohnungsmarkt, um umfangreiche Mietsteigerungen durchsetzen zu können.  Mieterinitiativen beklagen deshalb regelmäßig massive Instandhaltungsstaus, denn mit deren Abbau können Eigentümer, die für die Erhaltung der Mietsache verantwortlich sind, keine höheren Mieteinnahmen begründen. Wie eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) von Anfang des Jahres belegt, geben börsennotierte Wohnungsunternehmen wesentlich weniger für die laufende Instandhaltung ihrer Wohnungsbestände aus als beispielsweise kommunale Akteure. Der Schwerpunkt des „Asset Managements“ (Bestandsbewirtschaftung) liegt dagegen auf der Aktivierung der Modernisierungsumlage. Herwig Teufelsdorfer, Vorstandsmitglied der BUWOG AG, die über einen Bestand von etwa 51.000 Wohnungen verfügt – je zur Hälfte in Österreich und Deutschland –, betonte in einem Interview unmissverständlich, dass mit „gezielten Modernisierungen“ als einem Schwerpunkt der Unternehmenspolitik die Auswirkungen der Mietpreisbremse gedämpft werden könnten. Diese stellten deshalb für die BUWOG Group keine „nennenswerte Beeinträchtigung“ dar (BUWOG Geschäftsbericht 2015/16, S. 22 u. S. 64).

Eine von Berliner Initiativen gestartete Online-Petition zur „Abschaffung des § 559 BGB über Mieterhöhungen nach Modernisierungen“ (www.change.org) fasst den Kontext treffend zusammen:

„Dieser Paragraf schafft einen enormen Anreiz, mit einem konstruierten Modernisierungsbedarf Kasse zu machen. In Deutschland haben sich in den letzten Jahren vermehrt große Wohnungsgesellschaften gebildet (…), die in großem Stil Wohnungen aufgekauft haben, um mit diesem Geschäftsmodell Traum-Renditen ihrer Investitionen voranzutreiben. (…) In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass notwendige laufende Instandhaltungen, deren Kosten nicht auf die Miete umgelegt werden dürfen, von Vermietern unterlassen werden. Wenn dann irgendwann die erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden, führt oftmals der zwischenzeitliche technische Fortschritt dazu, dass die Maßnahmen zu einem hohen Anteil als Modernisierungsmaßnahme qualifiziert werden, die zu einer Mieterhöhung führen. Die rechtswidrigen Versäumnisse des Vermieters werden so zu seinem geldwerten Vorteil gemacht.“

Der Vorwurf, Instandsetzungsarbeiten so lange zurückzuhalten, bis nur noch umfassende Modernisierungen in Frage kommen, richtet sich an Konzerne wie DW und BUWOG gleichermaßen. Aber auch mit Projektentwicklungen lässt sich Kasse machen. BUWOG verwaltet in Berlin etwa 5.000 Wohnungen, wobei das Portfolio kontinuierlich ausgebaut werden soll. In einem Interview im Wohnmarktreport Berlin 2017 (hrsg. v. BerlinHyp AG und CBRE GmbH) unterstrich Andreas Segal, ebenfalls im Vorstand der BUWOG, die Bedeutung des Neubaus als eine weitere entscheidende Säule der Geschäftsstrategie seines Konzerns. In den nächsten viereinhalb Jahren ist in Berlin der Bau von etwa 3.500 Wohnungen geplant, 30 % davon sollen im Bestand gehalten, 70 % als Eigentumswohnungen verkauft werden. Im Neubau werden dabei Mieten von 12 bis 13 Euro pro qm kalkuliert. Der operative Gewinn, schreibt die Immobilien Zeitung am 4. Mai, soll so binnen drei Jahren um satte 50 % steigen. Die börsennotierten Unternehmen zielen schlicht auf das am Markt realisierbare Mietwachstum und bedienen das „obere und mittlere Angebotssegment“, weil hier die höchsten Renditen winken.

Höherbewertung der Immobilien

Die DW mutierte in den letzten Jahren zu einem wahren Feinbild der Berliner Mieteraktivisten. Ihre Geschäftspraktiken veranlasste deshalb die Linksfraktionen im Abgeordnetenhaus und im Bundestag, einen genaueren Blick auf das Unternehmen zu werfen [1]. Heinz-Josef Bontrup, Wirtschaftsprofessor an der Westfälischen Hochschule Recklinghausen, wertete in ihrem Auftrag die Bilanz der Aktiengesellschaft aus, um die ökonomischen Mechanismen hinter der Geschäftspolitik erkennbar zu machen. Die DW erzielt demnach eine außerordentlich hohe Rendite auf ihr Eigenkapital: 18,7 % durchschnittlich zwischen 2012 bis 2015. Normal seien fünf bis sechs Prozent, so Bontrup, denn die traditionell eher risikoarme Immobilienwirtschaft kann seiner Auffassung nach nur mit relativ bescheidenen Renditen rechnen. Alles darüber sei unanständig, ließ er im April bei der Vorstellung der Studie wissen.

Aus der auffallend hohen Rendite ergebe sich eine außerordentlich hohe Dividende für die Aktionäre. Im Jahr 2015 wurden fast ein Viertel mehr als im Vorjahr ausgeschüttet. Beide Kennziffern – Rendite und Dividende – basierten jedoch vor allem aus der Umstellung der Bilanztechnik auf internationalen Standard und damit auf der aktuellen Bewertung der Immobilienbestände. Der Marktwert der Häuser, nicht mehr der einstige niedrigere Kaufpreis, steht nun in der Bilanz, die auf diese Weise zwischen 2012 und 2015 um fast drei Milliarden Euro anwuchs. Zwei Vorteile ergeben sich für das Unternehmen aus dieser völlig legalen Praxis: Zum einen vergeben Banken umso leichter Kredite, je höher die Bilanzsumme ausfällt. Zum anderen konnten die Bewertungsgewinne zum Teil an die Shareholder ausgeschüttet werden.

Das Problem: Dividenden wurden in einer Höhe geliefert, die die tatsächliche Wertschöpfung durch die Bewirtschaftung der Immobilien nicht hergab. Laut Bontrup muss das Unternehmen aber weiter gute Dividenden garantieren, sollen die Aktionäre zukünftig nicht enttäuscht werden. Aus der Vermietung der Wohnungen muss folglich so viel wie möglich an Erträgen herausgeholt werden. Bontrup entdeckt deshalb bei der DW, wie er in einem Fernsehinterview erläuterte, eine „Strategie der Differenzierung“: Vernachlässigung und Aufwertung des Wohnungsbestandes zugleich. Wo keine Preissteigerungen mehr zu erwarten sind, werden keine Investitionen mehr vorgenommen. Die Mieter müssen zusehen, wie ihre Wohnungen vergammeln und quasi vom Markt genommen werden. Andere Häuser werden komplett saniert, die Bewohner müssen mit teilweise exorbitanten Mieterhöhungen klarkommen. Mieter, die sich einer Zustimmung verweigern, werden verklagt.

Angstkultur

Die Wohnungsgesellschaft stellt mit ihrer Geschäftspolitik viele Mieter vor existentielle Probleme, verbreitet aber auch bei den eigenen Beschäftigten eine Atmosphäre der Angst. Eine Grundlage dafür ist, dass der Konzern systematisch und mit juristischen Tricks die gesetzlich geregelte Mitbestimmung unterläuft. Die DW hatte Ende 2016 insgesamt 943 Beschäftigte. Nach dem Drittelbeteiligungsgesetz von 2004 haben Arbeitnehmer einer Aktiengesellschaft mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat. Bei der DW fehlen dort aber Arbeitnehmervertreter gänzlich. Der Trick zur Vermeidung der Mitbestimmung: Durch die Aufspaltung der Aktiengesellschaft in formal eigenständige GmbHs wird auch die Mehrzahl der Beschäftigten auf diese 100-prozentigen Töchter verteilt. Die eigentliche DW AG fungiert dabei als eine Holdinggesellschaft, bei der Ende 2016 nur 160 Mitarbeiter angestellt waren.

Ehemalige Beschäftigte berichten darüber hinaus, dass Versuche, Betriebsräte zu gründen, in der Vergangenheit systematisch verhindert worden sind. Zum Beispiel wurden vor zwei Jahren einzelne Mitarbeiter der Tochtergesellschaft Deutsche Wohnen Kundenservice GmbH so sehr von ihren Vorgesetzten eingeschüchtert, dass sie die Wahl eines Wahlvorstandes vorzeitig abbrachen [2]. Offensichtlich wird in der Immobilienbranche bei der Vorbereitung von Betriebsratswahlen erhöhter Druck ausgeübt – nicht ohne  Auswirkung auch auf die Gewerkschaftsbindung der Beschäftigten. Denn bei den privaten Immobilienriesen ist eine Erosion des Anteils gewerkschaftlich organisierter Beschäftigter festzustellen. Der Hintergrund für diese Entwicklung ist nicht zuletzt historisch begründet. Erst durch die Zusammenführung der ehemaligen landeseigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaften Gehag (Gemeinnützige Heimstätten-, Spar- und Bau-Aktiengesellschaft) und GSW (Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft) 2007 und 2013 konnte der neue Koloss DW überhaupt entscheidend heranwachsen. GSW und Gehag als kommunale Unternehmen waren aber von einer ausgeprägten Mitbestimmungskultur mit starken Betriebsräten geprägt, die erst schrittweise zerstört werden musste, um die aggressiven Geschäftspraktiken „ohne Sand im Getriebe“ möglich zu machen.

Privatisierung und Korruption

Nicht nur das offensive operative Vorgehen, auch die Entstehungsgeschichten von Immobilienkonzernen wie DW und BUWOG ähneln sich. Privatisierungen und Fusionen prägen seit Ende der 1990er Jahre die Wohnungswirtschaft und verändern sie nachhaltig. Mittlerweile hat sich innerhalb des börsennotierten Angebotssegmentes ein deutlicher Konzentrationsprozess abgespielt. Viele Unternehmen verkauften in der Vergangenheit ihre Werkswohnungen an private Investoren, ebenso wie gemeinnützige und kommunale Wohnungsgesellschaften große Teile ihrer Bestände an Investmentgesellschaften veräußerten oder von diesen ganz erworben wurden. Die DW wurde 1998 von der Deutschen Bank gegründet und ist seit 2006 ein selbstständiges, börsennotiertes Unternehmen, das mit Wohnimmobilien, aber auch mit Pflegeeinrichtungen Gewinne erzielt. Vor zehn Jahren übernahm die DW die bereits 1998 privatisierte Gehag-Gruppe (rund 32.000 Wohnungen), die später erfolgte Übernahme der Berliner GSW (etwa 72.000 Wohnungen) machte sie zum zweitgrößten privaten Immobilienunternehmen in Deutschland.

Auch die Wohnungen der BUWOG AG befanden sich ursprünglich im Eigentum der öffentlichen Hand; das Unternehmen war Mitte des letzten Jahrhunderts von der Republik Österreich als Wohnungsgesellschaft für Bundesbedienstete geschaffen worden. Die Privatisierung der Gesellschaft ging im Jahr 2004 über die Bühne. Im Nachgang der Veräußerung der Immobilien ermittelte – fünf Jahre später – die österreichische Justiz gegen den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser und einzelne Lobbyisten, die den Privatisierungsdeal eingefädelt hatten. Die „BUWOG-Affäre“ zieht seitdem immer wieder das Interesse der österreichischen Öffentlichkeit auf sich.

Es geht bei dem damaligen Verkauf von über 60.000 Bundeswohnungen (Buwog), die neben der BUWOG/Wien von vier anderen Wohnungsgesellschaften verwaltet wurden, um Amtsmissbrauch, wettbewerbsbehindernde Absprachen und Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe. Zunächst war die Firma CA Immobilien als meistbietender Käufer favorisiert worden, die Immofinanz-Gruppe aber erhielt überraschend den Zuschlag – während die im Hintergrund agierenden Strippenzieher für ihre Dienste knapp zehn Millionen Euro kassierten. Das Landesgericht für Strafsachen Wien verhandelt in dieser Endlos-Affäre aktuell gegen fünfzehn Personen. Anfang Mai berichtete die Wirtschaftswoche online, dass der Staat Österreich nun endlich den Schaden einfordert, der ihm laut Anklage aufgrund des zu geringen Verkaufspreises für die Bundeswohnungen entstanden ist.

Verglichen mit der Anzahl der Wohnungen des deutschen Branchenführers Vonovia (333.000) und DW (158.000) fällt der Gesamtbestand der BUWOG (51.000, davon 27.000 in Deutschland) allerdings fast schon bescheiden aus. Auch in Sachen Börsenwert ist der österreichische Konzern mit knapp 2,5 Milliarden Euro im Vergleich zu den deutschen Immobilien-Giganten (Vonovia 16,2 Milliarden; DW 11,5 Milliarden) eher klein. Was aber den renditeorientierten Druck der Aktionäre und damit die Vernachlässigung notwendiger, aber mietenneutraler Instandhaltungen und die Durchführung gezielter Modernisierungen zur Steigerung der Erträge angeht – da bleiben sich die Strategien gleich. Nicht zuletzt weil die großen Immobilien AGs eine Gemeinsamkeit aufweisen: Global agierende Finanzinvestoren üben nachdrücklich ihren Einfluss auf die Gesellschaften aus. [3]

BlackRock – der größte Investmentfonds der Welt

Der US-amerikanische Konzern verwaltet für seine Kunden – institutionelle und private Anleger – etwa 4,7 Billionen Dollar. Er hält Anteile von Unternehmen auf allen Erdteilen, in fast allen Branchen und ist der einzige Anleger, der bei jedem großen deutschen Konzern zu finden ist. Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Investor Relations Verbandes ist er mit 10,2 % Anteilen am institutionellen Streubesitz der wichtigste Investor im Dax, dem Aktienindex der 30 größten börsennotierten deutschen Unternehmen. Zu seinem Portfolio gehören auch Immobilien: „Wenn man so will, ist BlackRock inzwischen, wenn auch indirekt, einer der größten Vermieter Deutschlands.“ [4] Natürlich hält er Aktien an Vonovia (8,62 %), der DW (8,60 %) und der BUWOG AG (5,42 %) [5], obwohl letztere nicht zu den wirklich großen Aktiengesellschaften im deutschsprachigen Raum oder gar Europa gehören.

Zwar liegen die Anteile von BlackRock an Unternehmen oft nur im geringen Prozentbereich. Doch da sich über 80 Prozent sowohl der Dax-Aktien als auch der börsennotierten Wohnungsunternehmen im Streubesitz befinden, genügen bereits Anteile von wenigen Prozenten, um den größten Fonds im Aktionärskreis zu bilden, so dass auf dessen Interessen von den Vorständen Rücksicht genommen werden muss. Die Fondsverwalter als Mittler zwischen Anleger und Unternehmen interessieren sich dabei aber nicht wirklich für das operative Alltagsgeschäft, schon gar nicht für die Situation der Altmieter. Sie konzentrieren sich darauf, ob die von den Geschäftsleitungen durchgeführten Maßnahmen zur Gewinnmaximierung und Kostenreduzierung die erwarteten Renditezahlen produzieren. Zu den bevorzugten Methoden, die Kosten zu drücken, zählt für die großen Wohnungsunternehmen auch, die Möglichkeiten des Steuerrechts konsequent auszunutzen.

Rechtskonstrukte zur kreativen Steuergestaltung

Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) vom Frühjahr 2017 kam es zumindest bei den Großdeals (Handel mit Mietwohnungsbeständen ab 800 Einheiten) im letzten Jahr zu einem deutlichen Rückgang. Nicht weil der Wachstumsdrang der großen Aktiengesellschaften abgenommen hätte oder die Finanzierungskonditionen nicht weiterhin günstig wären – allein das abnehmende Angebot reduzierte die Zahl der Transaktionen in diesem Segment. Angeheizt wird der Konkurrenzkampf um Marktanteile zusätzlich dadurch, dass die Bundesländer auf Einnahmen in Milliardenhöhe verzichten, weil die großen Player im Immobiliengeschäft keine Grunderwerbssteuer zahlen müssen. Zumindest dann nicht, wenn sie statt Wohnhäuser oder Grundstücke Anteile an einer Gesellschaft kaufen, die diese Immobilien besitzt (Share Deals). Maximal 94,9 % einer Gesellschaft dürfen zu diesem Zweck erworben werden, die restlichen 5,1 % sind von einem Dritten zu übernehmen [6]. Während die übrigen Käufer die in Berlin geltende Grunderwerbsteuer von 6 % entrichten müssen, können Immobilienkonzerne diese Steuer ganz legal auf Basis solcher unternehmensrechtlicher Tricks umgehen. Nach einem rbb-Bericht (Rundfunk Berlin-Brandenburg) vom Mai des letzten Jahres entging dem Land Berlin deshalb in den fünf Jahren zuvor fast 700 Millionen Euro.

Die Gestaltung der Steuergesetzgebung zeigt, dass der Staat auf seinen verschiedenen Ebenen kein hilfloses Geschöpf gegenüber den Finanzinvestoren ist. Er ebnet den Profiteuren des Mieterelends schließlich aktiv den Weg. Genauso wenig bricht das Geschäftsgebaren der Finanz- und Immobilienkonzerne quasi naturhaft über die Lebensverhältnisse der Mieter herein – wie die häufig benutzte, aber verfehlte Metapher der Heuschrecke im Bezug auf Private-Equity-Firmen oder Investmentfonds impliziert. Die beschriebenen Mechanismen sind zwar in der Ökonomie angelegt, werden aber auch von der Politik reguliert. Reichtumskonzentration und überakkumuliertes Kapital sind letztlich ein Ergebnis der politisch-ökonomischen Grundstruktur, die Phänomene wie die neuen Immobilien-Giganten oder Investmentfonds à la BlackRock erst ermöglicht und deshalb nicht ausgeblendet werden darf [7]. Einen Hoffnungsschimmer zumindest gibt es. Neben den Protestaktionen widerständiger Mieter-Initiativen werden alternative Ansätze zurzeit wieder intensiv diskutiert: Abschaffung der Modernisierungsumlage, höhere Grunderwerbssteuer, und, grundsätzlicher: Wohnungsgemeinnützigkeit, neuer kommunaler Wohnungsbau (marktfern in öffentlicher Hand bzw. als Gemeineigentum).

 

Anmerkungen:

[1] Heinz J. Bontrup, Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen AG. Gutachterliche Stellungnahme zur Deutsche Wohnen AG, Witten, Juli 2016 (vorgestellt am 10. April.2017)

[2] vgl. Gunnar Hinck, Immobilienkonzern verbreitet Angstkultur, in: Mitbestimmung, Nr. 6, Dezember 2016, S. 30

[3] vgl. auch Hermann Werle, Neue Machtkonstellation: Immobilien-Aktiengesellschaften erobern den Berliner Wohnungsmarkt und treiben die Mieten in die Höhe, in: MieterEcho 388, Mai 2017, S. 18-19

[4] Heike Buchter, BlackRock. Eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld, Frankfurt/M, 2015, S. 22f.

[5] vgl. www.comdirect.de (Stand 16. Juni 2017)

[6] Es überrascht deshalb nicht, dass zum Beispiel DW laut letztem Geschäftsbericht am 31. Dezember 2016 über mehr als 20 Tochtergesellschaften mit einem Anteilsbesitz zwischen 94 % und 94,99 % verfügt.

[7] vgl. auch Guido Speckmann, Herrscher über das Kapital, Neues Deutschland, 13./14. Februar 2016, S. 21

 

 

Wohnungsbestände börsennotierter Immobilien-Aktiengesellschaften
Unternehmen 2013 2014 2015 2016 Berlin 2014 Berlin 2016
Vonovia 318.454 347.480 357.117 333.381 30.588 32.454
Deutsche Wohnen 150.219 147.105 146.128 157.976 106.798 110.776
LEG 94.311 106.961 108.916 128.488 0 0
TAG 69.806 72.530 78.015 79.754 9.702 9.879
Grand City 26.000 43.000 76.000 84.102 ca. 8.000 6.270
Adler 7.797 24.086 48.218 47.366 1.255 1.697
Buwog 7.225 26.570 30.011 27.056 5005 4.991
conwert 25.673 24.367 22.500 22.993 5.138 4.383
Akelius 15.769 19.423 24.892 20.000 10.900 12.274
ADO Properties Keine Angaben 6.596 14.856 17.700 6.596 17.700
Summe 715.254 818.118 906.653 918.816 183.982 199.587

Quellen: BBSR-Studie, Geschäftsberichte (Zusammenstellung Hermann Werle, in: MieterEcho/Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft e.V., Mai 2017)

Joachim Maiworm lebt in Berlin und ist in der Berliner MieterGemeinschaft e.V. aktiv.