Artikel von Peter Menne aus BIG 1/2018
Was macht eigentlich Business Crime Control? Wo sind wir aktiv? Wir fordern Transparenz nicht nur von Konzernen – nein, auch unsere Mitglieder, Leser, die Öffentlichkeit möchten wir aktiv informieren, was wir tun. Zumal das Herstellen von Öffentlichkeit zu unseren wichtigsten Instrumenten gehört. BCC kann und will keine Hilfspolizei sein, die Wirtschaftskriminelle stellt wie weiland Cowboys den Viehdieb. Aber wir stellen Öffentlichkeit her, schaffen Diskussionsmöglichkeiten, schaffen ein Bewußtsein für das, was schief läuft. Wir beteiligen uns am Entwickeln der Maßstäbe, mit denen wirtschaftskriminelles und gemeinschaftsschädigendes Verhalten gemessen werden kann.
Der Vorstand trifft sich in der Regel einmal im Monat: im Frankfurter Club Voltaire. Unsere Sitzungen sind selbstverständlich mitgliederöffentlich – und wir freuen uns, wenn interessierte Mitglieder zu Gast sind und sich einfach mal anschauen möchten, ob es Gelegenheiten gibt, selbst aktiver zu werden.
BCC-Preis für Jürgen Roth
Den BCC-Preis für Zivilcourage haben wir 2017 an Jürgen Roth verliehen. Der Autor investigativer Bücher hat sich unter hohem persönlichen und juristischen Risiko mit mächtigen Gegnern angelegt, indem er deren wirtschaftskriminelle und die Allgemeinheit schädigenden Machenschaften mutig und beharrlich aufdeckte.
Leider konnte Jürgen Roth den BCC-Preis nicht mehr öffentlich in Empfang nehmen. In einer Matinee im Dezember 2017 haben wir sein Engagement und sein Lebenswerk gewürdigt. Hans See, unser Ehrenvorsitzender, verfaßte den Nachruf, der in BIG 4 / 2017 erschien und würdigt Roths Arbeit auch im aktuellen Heft.
Unsere Veranstaltungen
Jährliche Fachtagung
Zentrale Veranstaltung ist unsere jährliche Fachtagung: Referate auf wissenschaftlichem Niveau. Wir suchen Referenten, die die Hintergründe beleuchten. Die Wissen liefern, das über tagesaktuelle Kurzmeldungen hinausreicht und das sie zur Diskussion stellen – für unser Verständnis bleibt es zentral, mit den Referenten nach den Vorträgen ins Gespräch zu kommen und ihre Thesen durchaus auch kontrovers zu diskutieren.
„Wachsende Ungleichheit und Kapitalkriminalität. Folgen neoliberaler Deregulierung“ lautete der Titel unserer Fachtagung am 1. April 2017. Beide Phänomene, sowohl die wachsende Ungleichheit wie auch die Kapitalkriminalität, sind feststellbar. Doch was haben sie miteinander zu tun? Wie hängen sie zusammen? Genau den Wirkmechanismus haben wir mit den drei Vorträgen und einer Abschlußdiskussion untersucht. Die These, dass wirtschaftskriminelles Verhalten zu neoliberalem Denken paßt; dem nach wie vor herrschenden Neoliberalismus nicht widerspricht, sondern eher eine ins (manchmal unerwartete) Extrem gesteigerte Form von ihm ist: die These wurde bestätigt.
Sehr fachkundig referierten Dr. Markus Grabka, Dr. Benedict Ugarte Chacón und Mathew Rose. Dr. Grabka beleuchtete die Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland. Er forscht beim DIW – Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin, und ist ausgewiesener Spezialist für die exakte Erfassung der auseinanderklaffenden Einkommensschere.
Dr. Ugarte Chacón arbeitete als Referent im Cum/Ex-Untersuchungsausschuß des Bundestages. Er berichtete, wie der Staat sich bereitwillig ausnehmen ließ, indem er Cum/Ex-Geschäfte jahrelang zuließ – obwohl nicht nur Finanzbeamte gewarnt hatten, dass so nur ein einziges Mal gezahlte Kapitalertragssteuer gleich mehrfach erstattet wird. Der Schaden wird auf 5 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Der investigative Journalist Mathew Rose widmete sich der zunehmenden Konzentration in den Medien, die sich auch in zunehmender Gleichförmigkeit der Meldungen widerspiegele. Als noch mehr Zeitungsverlage vorhanden waren, seien verschiedene Schwerpunktsetzungen erkennbar gewesen. Er befürchtete eine weitere Verflachung des Nachrichtenangebots.
Diskussion lief nicht nur nach jedem Referat – insbesondere mit der Abschlußdiskussion schuf BCC einen Rahmen für kontroverse Debatte. Alle, die nicht selbst nach Frankfurt kommen konnten, finden einen ausführlichen Bericht in BIG Nr. 2 / 2017. Benedict Ugarte Chacón verschriftete sein Referat zum Artikel „Milliardenschweres Staatsversagen. Zum Abschlussbericht des Cum / Ex-Untersuchungsausschusses“ in BIG Nr. 3 / 2017.
Dokumentarfilm und Diskussion mit Filmemacher Martin Keßler
„Reise in den Herbst“ betitelt Filmemacher Martin Keßler seinen Dokumentarfilm über wachsenden Rechtspopulimus und linken Protest. Er beobachtete Ereignisse vom Treffen der europäischen Rechtspopulisten am Deutschen Eck Anfang 2017 über das Kohl-Begräbnis in Speyer bis zu den Protesten gegen das G 20-Treffen in Hamburg. Keßler interviewte Opel-Arbeiter nach der Übernahme durch PSA / Peugeot, den Initiator der seinerzeitigen Montagsdemos gegen Hartz IV. und Jean Ziegler, der die „kannibalische Weltordnung“ anklagt. Er diagnostiziert und dokumentiert das Anwachsen von Unzufriedenheit. Stehen wir vor einer Zeitenwende, wie der Filmemacher fragt?
BCC lud ihn gemeinsam mit dem Club Voltaire, dem Verein Leben und Arbeiten im Gallus und Griesheim (LAGG), der KunstGesellschaft und mit freundlicher Unterstützung der Rosa-Lusemburg-Stiftung zur Diskussion in den Club Voltaire: Wie dem Widerstand gegen die Rechtsentwicklung eine produktive Richtung geben?
„Wirtschaftsverbrechen“ auf der GegenBuchMasse
„Wirtschaftsverbrechen und andere Kleinigkeiten“: das Buch stellte BIG-Autor Gerd Bedszent auf Einladung von BCC und attac im Rahmen der GegenBuchMasse im Frankfurter Club Voltaire vor. Er spannte einen weiten Bogen von krimineller Bereicherung nicht nur in Deutschland – „Bankenrettung auf Ukrainisch“ gehörte zu den Höhepunkten seiner Lesung. Weiter thematisierte Bedszent, wie die Treuhandanstalt das Vermögen der DDR verschleuderte oder wie Toll Collect, das Gemeinschaftsunternehmen von Daimler-Benz und der Deutschen Telekom, ein Mautsystem zu festem Termin verkaufte, aber nicht fristgerecht lieferte – entgangene Einnahmen und weitere Schäden gingen dennoch zu Lasten des Steuerzahlers!
Wir haben die Diskussion nicht nur live geführt: den Vortrag finden Sie auch auf YouTube unter dem Link https://www.youtube.com/watch?v=hv0TVcJ8u6U bzw. über den Suchbegriff „Wirtschaftsverbrechen“. Ebenfalls auf YouTube zu finden ist der BCC-Beitrag zur GegenBuchMasse 2016: da lasen Reiner Diederich und Peter Menne aus dem Band „Der Müll, die Stadt und der Tod. Fassbinder und der Antisemitismus heute“. Den Vortrag finden Sie auf auf YouTube unter dem Link https://www.youtube.com/watch?v=tdRC2kKzenk und das Buch ist beim Nomen Verlag (und natürlich dem Buchhändler Ihres Vertrauens) erhältlich.
Matineen
Einmal monatlich veranstaltet BCC seit 2006 gemeinsam mit der KunstGesellschaft eine Matinee: Vortrag, Diskussion, manchmal auch eine Podiumsdiskussion am Sonntagvormittag zu einer breiten Palette von Themen. Insgesamt sind es bisher über 170 Matineen gewesen.
Schon erwähnt habe ich die Matinee zur Würdigung des investigativen Autors Jürgen Roth. Dort wurde auch sein gerade im Heyne-Verlag erschienenes Buch „Die neuen Paten. Trump, Putin, Erdogan, Orbán & Co.“ vorgestellt.
Unter dem Titel „Wie weiter mit der Türkei – Konfrontation oder Dialog?“ diskutierten die beiden türkischstämmigen Landtagsabgeordneten Turgut Yüksel (SPD) und Mürvet Öztürk (fraktionslos) die aktuellen Repressionen unter dem türkischen Präsidenten Erdogan.
Weitere Themen waren „Industrie 4.0 – wieviel Mensch wird noch gebraucht?“ oder der Vortrag des früheren Textchefs der „Frankfurter Rundschau“ Stephan Hebel: „Mutter Blamage und die Brandstifter – Wie “alternativlos” ist Angela Merkel?“. Vor den Bundestagswahlen fragten wir „Neue Politik braucht neue Mehrheiten – warum nicht rot-rot-grün?“: Podiumsgespräch mit Sylvia Kunze, stv. Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Frankfurt, Michael Erhardt, stv. Vorsitzender von Die Linke Hessen und Erster Bevollmächtigter der IG Metall Frankfurt sowie Dr. Elke Neuwohner, Fraktionsvorsitzende der Grünen Marburg.
Mit Blick auf‘s internationale Parkett referierte Prof. Dr. Harald Müller, ehem. Vorstand der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, zur US-Präsidentschaft von Donald Trump: „Trumpfkarte oder Trampeltier?“
Sozialpsychologischen Prozessen in unserer Gesellschaft galt der Vortrag von Prof. Dr. Eva Walther von der Universität Trier: „Ich normal – warum Du radikal? Zur Sozialpsychologie von Radikalisierungsprozessen“.
Weitere Vorträge drehten sich um religiöse Fundamentalisten, das Anwachsen der Rechten und die „enthemmte Mitte“, daneben auch Umweltprobleme wie die Verschmutzung der Meere: „Die Verpackung der Krabbe kommt in der Krabbe zurück. Wie unser Plastikmüll Meere, Flüsse und unser Essen verseucht“ mit Ingrid Ahrens-Scalidis, Expertin für Meere bei Greenpeace.
Prominenter Gast im Januar 2018 war Peter Feldmann, Oberbürgermeister von Frankfurt. Unter dem Titel „Wem gehört die Stadt?“ ging es um Wohnungsbau, Stadtentwicklung und den öffentlichen Personennahverkehr. OB Feldmann trat für Tarifsenkungen beim Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV), für die Begrenzung von Mietpreiserhöhungen bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG, für mehr Sozialwohnungsbau und für die Abschöpfung von Bodenwertzuwächsen ein. Er klagte, dass die Frankurter Banken zusammengerechnet weniger Steuern zahlten als ein einziger großer, noch in in der Stadt ansässiger Industriebetrieb.
In der Matinee am 18. Februar 2018 spricht Prof. Dr. Micha Brumlik zum Thema „Zurück nach rechts – Die Ideologen der Neuen Rechten“. Brumlik war vor einigen Jahren in der Reihe „Leitkultur Menschenrechte“ zu Gast, die der Autor gemeinsam mit der Frankfurter Rundschau und der Humanistischen Union organisiert hatte. In der Matinee informiert Brumlik über die ideologischen Hintergründe rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien wie der AfD, um sich besser mit ihnen auseinandersetzen zu können.
Mitarbeit in Bündnissen und Vereinen
Schon im September 2015 hat BCC sich dem „Frankfurter Bündnis gegen TTIP, CETA und TISA“ angeschlossen, das auch 2017 aktiv war: Zu den von uns unterstützten Aktionen zählen der Flashmob „Klangvoller Widerstand gegen CETA, TTIP, TISA & JEFTA“ auf dem Frankfurter Römerberg genauso wie die Podiumsdebatte mit Kandidaten zur Bundestagswahl, die mit einem Grußwort von Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann eröffnet wurde. Näheres finden Sie auf der Webseite ffmgegenttip.wordpress.com/.
Unfaire Handelsabkommen wie TTIP begünstigen Konzerne – und auch Korruption. Ein Grund mehr für uns, uns an Initiativen dagegen zu beteiligen: im frisch gegründeten Netzwerk Gerechter Welthandel arbeiten wir mit. Es entwickelte sich aus dem Bündnis TTIPunfairHandelbar und dem Trägerkreis der bundesweiten Großdemonstration „CETA & TTIP stoppen! – Für einen gerechten Welthandel!“
Noch vor den letzten Bundestagswahlen, im August 2017 ergriff Mehr Demokratie e.V. die Initiative zur Bildung eines Bündnisses zur Einführung des bundesweiten Volksentscheids jetzt – und Business Crime Control wurde eingeladen, sich an dem Bündnis zu beteiligen. Wir fordern nicht nur demokratische Kontrolle auch in Bereichen, in denen sie noch fehlt – wir fördern selbstverständlich auch Initiativen zur Erweiterung der demokratischen Kontrolle. Laut Grundgesetz soll das Volk in Wahlen und Abstimmungen seine Souveränität ausüben. Die Wahlen haben wir – doch die Abstimmungen fehlen noch immer. Selbstverständlich wirken wir in dem von Mehr Demokratie initiierten Bündnis mit. Das Bündnis verzeichnet erste Erfolge: in den aktuellen Koalitionssondierungsgesprächen wurde vereinbart, „eine Expertenkommission einzusetzen, die Vorschläge erarbeiten soll, ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann. Zudem sollen Vorschläge zur Stärkung demokratischer Prozesse erarbeitet werden.“ (Sondierungspapier, Abschnitt V).
Öffentlichkeitsarbeit
Unser Bemühen um Präsenz in den Medien trägt Früchte: auch vor der diesjährigen Buchmesse vertrat der stellvertretende Vorsitzende die BCC-Positionen im Interview beim Frankfurter „Radio X“. Am 10. Oktober lief die Sendung live, am 11. Oktober wurde sie komplett wiederholt.
Einige unserer Veranstaltungen sind bei YouTube zu finden, beispielsweise im Kanal von „666 freedom“: https://www.youtube.com/user/666freedom, einem Kooperationspartner, der immer wieder nach Frankfurt reist, um Veranstaltungen von BCC (oder anderen Veranstaltern) zu filmen und anschließend die Vorträge über seinen YoluTube-Kanal weltweit zugänglich zu machen.
Die Homepage des Vereins –www.businesscrimecontrol.org – wird inzwischen gut genutzt. Dort finden Sie nicht nur aktuelle Informationen, sondern auch Mitschnitte früherer Fachtagungen von BCC und von Matineen.
Last not least: BIG Business Crime – vierteljährlich erscheint unsere Zeitschrift, informiert Sie mit Hintergrundinformationen und Berichten. 25 Jahre wird BIG jetzt alt – und wir überlegen, wie wir diese Institution weiter verbessern und ihre Reichweite vergrößern können. Im Internetzeitalter erscheint ein Wechsel von der Printausgabe zu einem Online-Magazin aus verschiedenen Gründen vorteilhaft. Wir werden auf unserer diesjährigen Mitgliederversammlung am 12. Mai darüber sprechen und die Mitglieder um Zustimmung bitten.
Peter Menne war von April 2017 bis Ende 2018 stellvertretender Vorsitzender von Business Crime Control e.V.